Allgemeine Gesichtspunkte
Grundlage der Pädagogik im Waldorfkindergarten ist die Erziehungswissenschaft Rudolf Steiners (1861-1925).
Elisabeth Grunelius entwickelte 1926 daraus den ersten Waldorfkindergarten in Stuttgart. Von einigen Gedanken ließ sie sich hierbei besonders leiten:
Das Kind lernt durch Nachahmung. „Das Kind ist ein in sich selbst aktives und intelligentes Wesen, eifrig bestrebt, alles zu verstehen, was sich um es herum abspielt, und sich selbst in seine Umgebung einzugliedern. Aber dazu braucht es Zeit, besonders weil der Prozess nicht nur das Innenleben betrifft, sondern Hand in Hand geht mit der ganzen organischen Entwicklung. Immer wieder kann man bestätigt sehen, dass sich ein Kind, dem es gewährt ist, in den ersten sieben Jahren von innen heraus mit seiner Umgebung mitzu-leben und dabei die nötigen Vorbilder vor sich zu haben, alles aneignet, was es für das weitere Leben braucht. Es handelt sich in der Erziehung auch nicht darum, schlechte Eigenschaften im Kind zu unterdrücken, sondern ihm Gelegenheit zu geben, dieselben in einem Wechselverhältnis mit seiner Umgebung umzuwandeln. Dies erfordert aber in erster Linie Vorbild und Selbsterziehung der Erwachsenen.“
Die Selbsterziehung der Erwachsenen ist unmittelbar mit der Gesamtentwicklung des Kindes verbunden. Denn das Vorbild, welches immer eng zusammenhängt mit der Persönlichkeit des Erziehers, wirkt unmittelbar auf das Kind. Gerade das kleine Kind lebt in der Einheit von der Welt und dem Ich, von Außen und Innen und ist auf Menschen angewiesen, die mit sich selbst identisch, mit sich selbst im Einklang sind. Das Kind vertraut sich dem Erwachsenen bedingungslos an und ahmt ihn nach. Hier stellt sich nicht die Frage, was der Erzieher weiß, sondern viel mehr, wie er in der Welt steht und wie sein Verhalten auf die Kinder wirkt. Denn die Erkenntnis von Novalis „Der Mensch lernt das Menschsein nur am Menschen.“, gilt für jedes Kind, in welcher Kultur und unter welchen Lebensbedingungen es auch aufwächst. Das bedeutet für das gesamte Kollegium, dass jeder an sich selber arbeitet; denn Erziehung ist in erster Linie Selbsterziehung. Für unsere pädagogische Arbeit bedeutet dies, dass wir uns in den wöchentlichen Konferenzen Zeit nehmen, uns zu spiegeln und gegenseitig zu beraten. Durch Fortbildungsmaßnahmen, Literatur und zeitweise Begleitung des Teams durch einen Supervisor, sind zusätzlich Möglichkeiten geschaffen, an sich zu arbeiten und sich somit authentisch mit seiner Erzieherrolle zu verbinden.
Die Entwicklung von Respekt, Toleranz, Akzeptanz und Mitgefühl bei dem Erwachsenen spielt für das Lernen und die Gesamtentwicklung des Kindes eine genauso große Rolle wie die wesenhafte Begegnung.
In den ersten sieben Lebensjahren lernen die Kinder durch Wiederholung und Nachahmung. Alles, was das Kind erlebt, prägt sich seinem Organismus ein und bildet das leibliche und seelische Fundament, auf dem sich der ganze weitere Lebensweg aufbaut. Auch die Gestaltung des Umfelds wird vom Kind bis in die tiefsten Fasern seiner Leiblichkeit aufgenommen. Deshalb soll alles, was das Kind an und in seiner Umgebung erlebt, natürlich, sinnvoll und nachahmenswert sein.
Die Erwachsenen sind mit den Verrichtungen des alltäglichen Lebens beschäftigt, die Kinder helfen oder schaffen sich ihre Spielwelt in einer Atmosphäre des Tätig-Seins. Im Spielen verarbeitet und verwandelt das Kind kreativ das Wahrgenommene zu eigenen Erlebnisinhalten und entwickelt daran eigene Fähigkeiten, Phantasien und Willenskraft.
Im Tagesablauf des Kindergartens gibt es tägliche Wiederholungen (Freispiel - Morgenkreis - Frühstück - Garten - Abschluss), wöchentliche Wiederholungen (Waschtag - Maltag - Wald-tag - Wechsel der Gerichte...) und monatliche Wiederholungen (neuer Reigen...). Die christlichen Feste machen den Jahreslauf stimmungs-voll erlebbar.
In diesen wiederholten Abläufen erlebt das Kind seelischen Halt und Schutz und kann sich ganz vertrauensvoll und ohne Störungen von außen auf die Entwicklung seiner eigenen Kräfte und Fähigkeiten konzentrieren.
Ein weiterer Grundpfeiler der Erziehung im Kindergartenalter ist die rhythmische Gestaltung. Die Innen- und Außenwelt des Menschen ist rhythmisch aufgebaut: Atmung - Puls, Schlafen - Wachen, Tätigsein - Ruhe, der Jahreslauf der Natur ..., um nur einige Beispiele zu nennen.
Das Aufgreifen und Gestalten dieser Rhythmen hat für das heranwachsende Kind eine große Bedeutung: Die eigene innere Leibestätigkeit wird angeregt und harmonisiert, Atmung und Kreislauf werden durch einen rhythmisch sinnvollen Tagesablauf unterstützt. Das, was immer wiederkehrt, vermittelt dem kleinen Kind Schutz, Sicherheit und Geborgenheit und bildet eine stabile Grundlage, um späteren Stresssituationen und Anforderungen besser gewachsen zu sein.
Die Raumgestaltung in unserem Kindergarten ist so angelegt, dass sich die Kinder und Erwachsenen wohl fühlen können. Uns ist eine harmonische und liebevoll gestaltete Atmosphäre, in der man sich wie zu Hause fühlen kann, wichtig. Denn die Farben und Bilder an den Wänden, die verwendeten Materialien, ihr Tasteindruck und ihr Geruch, die Besonderheiten der Architektur und der Raumakustik wirken bis in die feineren Stoffwechselprozesse des Kindes hinein, je nach Gestaltung kräftigend oder schwächend.